Unter Tage rutschen

Seit über 2500 Jahren wird am Dürrnberg südlich von Salzburg Salz abgebaut. Vor mehr als 30 Jahren wurde die Produktion stillgelegt. Nun steht das Erlebnis im Vordergrund. Zu Besuch im Bergwerk der Rutschen, Salzseen und Mumien.

Vor uns tut sich ein schmales dunkles Loch auf. Langsam nimmt die sogenannte Grubenbahn Fahrt auf und transportiert uns ins Innere des Berges. Während es draussen schwül und heiss ist, wird es immer kühler, je tiefer wir in den Berg fahren. An hölzernen Stützen hängen in regelmässigen Abständen Lampen, die ein wenig Licht spenden und gleichzeitig gespenstische Schatten im Stollen werfen. Die Gänsehaut kommt daher wenig überraschend. Wir befinden uns im alten Salzbergwerk Hallein etwa 120 Meter unter der Erdoberfläche.

Hallein liegt zwischen dem Fluss Salzach und dem Dürrnberg etwa 20 Kilometer südlich von Salzburg. Hier wird seit über 2500 Jahren Salz abgebaut. Anfangs waren es keltische Siedelnde, die nach dem weissen Gold schürften und dazu gefährliche Stollen 300 Meter tief in den Berg gruben. Das mit Salz angereicherte Gestein wurde mit Werkzeugen herausgemeisselt und dann weiter verarbeitet. Eine gefährliche Arbeit, bezeugt durch mehrere auf natürliche Weise mumifizierte keltische Bergleute, die im 16. Jahrhundert in verschütteten Stollen entdeckt wurden. Aber auch eine notwendige Arbeit. Denn Salz bedeutete die Konservierung von Lebensmitteln und Reichtum.

Tourismus seit 400 Jahren

Die Grubenbahn rattert noch ein letztes Mal, bevor wir anhalten und zu Fuss weiter gehen. Der Stollen ist hier gut ausgebaut und etwas mehr als einen Meter breit. Am Boden verlaufen schmale rostige Schienen, auf denen früher die Bahn noch fuhr. Wände und Decke werden durch dicke Baumstämme gestützt. Ein gewaltiger Druck wirkt hier unter der Erdoberfläche – unvorstellbare zwei Tonnen pro Quadratzentimeter sollen es an manchen Stellen sein. Jedes Jahr wird der Stollen deswegen um einige Millimeter zusammengequetscht. Das lässt sich an den gebrochenen Stützen in einem kleinen Seitengang eindrücklich beobachten. Dies ist einer der Gründe, weshalb nach wie vor vierzehn Bergleute hier arbeiten. Sie kontrollieren die Bewegungen des Berges, ersetzen Stützen und nehmen Ausbesserungen vor.

Seit 400 Jahren kommen Besucher*innen nach Hallein, um die Welt der Bergleute zu erkunden und zu erleben. Damit ist das Salzbergwerk Hallein das älteste Schaubergwerk Europas. Anfangs wurden die Führungen noch parallel zum regulären Bergbau durchgeführt. «Früher waren diese höher gestellten Persönlichkeiten vorbehalten. Irgendwann ist man darauf gekommen, dass das eine lukrative Sache ist», erklärt Standortleiter Rudolf Meisl. Als die Salzförderung 1989 aufgegeben werden musste, stieg man darum voll auf Erlebnistourismus um. Seither erhalten Schulklassen, Reisegruppen und andere einen eindrücklichen Einblick in das Leben unter dem Berg.

Untergang einer wegweisenden Tradition

Doch warum steht die Produktion heute still? Die Geschichte der Schliessung des Salzbergwerks vor fast 30 Jahren liest sich wie ein Fallbeispiel der Ökonomie. Im Salzkammergut rund um Salzburg gab es immer schon viel vom namengebendem Salz in den Bergen. An mehreren Orten entstanden über die Jahrhunderte kleinere und grössere Bergwerke und dazugehörige Salinen. In den Bergwerken wurde meist in unterirdischen Seen Wasser mit dem im Stein gebundenen Salz zu Sole angereichert und hinausgepumpt. In den Salinen wurde diese Sole dann in riesigen Pfannen verkocht und das uns bekannte Kristallsalz hergestellt.

Das Salzbergwerk in Hallein war dabei hauptverantwortlich für den Reichtum der Stadt Salzburg. «Salzburg würde ohne das Salz vom Dürrnberg in dieser Pracht nicht bestehen», weiss Meisl. In der Tat war das Salz derart wichtig, dass deswegen mehrere Kriege mit dem benachbarten Bayern ausgefochten wurden. Doch die moderne Zentralisierung und Rationalisierung holt auch traditionsreiche Orte irgendwann ein. Im Jahr 1979 wurde etwa 70 km östlich von Salzburg eine neue, grosse Saline in Ebensee gebaut. In deren unmittelbarer Nähe liegen die Salzbergwerke Bad Ischl, Hallstatt und Altaussee – nicht aber Hallein. Die Transportwege waren zu gross und die Erträge zu klein. Hallein wurde wirtschaftlich abgehängt und musste aufgeben. Mit der unvermeidlichen Schliessung ging auch eine jahrtausende alte Tradition verloren.

Magische Welten entdecken

Seither setzt man stark auf den Faktor Spass. Viele Menschen kommen hauptsächlich aufgrund des ungewöhnlichen Erlebnisses hier her. Auf unserer Führung erreichen wir dann auch bald das erste Highlight. Eine traditionelle Bergleuterutsche führt uns in rasantem Tempo eine Ebene tiefer. Dort wartet eine multimedial aufbereitete Flossfahrt über einen der unterirdischen Salzseen. Von Musik und einer Lichtshow untermalt gleiten wir in einem hölzernen Floss über den unterirdischen Salzsee. Die Decke ist so tief, dass wir sie problemlos anfassen können.

Für eine Lehrperson aus Dornbirn im Vorarlberg und die Schüler*innen ist das Rutschen das Beste am Bergwerk. Natürlich sollen die Schüler*innen auch etwas lernen. Denn das Salzbergwerk ist kein reiner Vergnügungspark. «Bei uns gibt es auch Bereiche, wo man den Wissensdurst stillen kann», meint Meisl. Dieses Wissen wird jedoch allenfalls nebenbei vermittelt. Es ist ein Wissen über die geheimen Welten, die sich in den Bergen dieser Welt befinden, wo Menschen in der Dunkelheit nach Schätzen graben. So begleitet uns auch das Gefühl der Einsamkeit und Abschottung im Dunkel der Stollen auf Schritt und Tritt. Und auch ein Wissen über die geschichtsträchtige Vergangenheit, die man hier «hautnah erleben» könne.

Am Ende unseres etwa eineinhalb Kilometer langen Marsches durch verschiedene Stollen und Kammern haben wir die Orientierung komplett verloren. Wären wir auf uns alleine gestellt, kämen wir wohl nie wieder ans Tageslicht. Jeder Stollen sieht wie der letzte aus. Sie winden sich im Dunkel dieser Erde durch den Berg und verlaufen mal auf österreichischem mal auf deutschem Boden. Doch irgendwann holt uns die Zivilisation wieder ein. Mitten im Berg bringt uns eine gute alte Rolltreppe wieder zurück zur Grubenbahn, die gerade die nächste Besuchsgruppe abgeladen hat. Und so fahren wir wieder mit einigem Gerumpel dem Ausgang und dem Licht entgegen.

Dieser Artikel wurde im August 2017 unter dem Titel «Durch den Berg rutschen» auf tink.ch veröffentlicht. Die Bilder wurden von Pascale Lötscher gemacht.